Gastbeitrag zum hess. KiföG

Gastbeitrag zum Entwurf des hessischen Kinderförderungsgesetzes von Dipl.-Päd. Christine Wengert.

Der von der hessischen Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf für ein neues Hessisches Kinderförderungsgesetz läuft entgegengesetzt den Zielen, die Sicherung und Verbesserung der Qualität in der frühkindlichen Bildung in Hessen zu gewährleisten. Was als Erhöhung der Flexibilität und Bedarfsgerechtigkeit angekündigt wird und der Erhaltung des Qualitätsniveaus dienen soll, wird in der Praxis zu erheblichen Verschlechterungen für Kinder und ihre Familien, vor allem aber auch für die Erzieherinnen und Erzieher führen.

Neben

  • Vergrößerung der Gruppengrößen durch eine Pro-Kind-Pauschale (nur bei Vollauslastung von 25 Kindern pro Gruppe gibt es die volle finanzielle Förderung; Was ist mit Reduzierung der Gruppenstärke bei Integration? Was ist mit unterjährigen Nachrückern?) und Platz-Sharing (2 Kinder teilen sich einen Platz, eins kommt von Mo-Mi, eins Do&Fr = doppelte Führung von Bildungsdokumentation, Elterngesprächen etc. für die Fachkräfte),
  • finanzierter Betreuungszeit von 42,5 Stunden (Was ist mit Einrichtungen, die z.Zt. 50 und mehr Std./Wo. geöffnet haben?) sowie
  • Wegfall von Zeiten für mittelbare päd. Arbeit (Vor- und Nachbereitung der Arbeit “am Kind”, Dienstbesprechung, Supervision, Elterngespräche, Führen von Bildungsdokumentationen, Leitungsaufgaben usw.)

ist mir vor allem die Öffnung des Fachkräftekatalogs ein Dorn im Auge.

Der geplante Gesetzentwurf sieht vor, 20% FACHFREMDE LAIEN einzurechnen. Das bedeutet für die pädagogischen Fachkräfte eine skandalöse Entprofessionalisierung des Berufsstandes. Der aktuell vorhandene Fachkräftemangel wird durch so eine Maßnahme nicht aufgehoben, sondern verschlimmert sich sogar nach, denn wozu soll man eine fünfjährige Ausbildung machen, wenn man auch ohne Ausbildung in einer Kita arbeiten kann?? Diese Maßnahme läuft völlig kontraproduktiv zu allen Aufwertungsversuchen der letzten Jahre. Bereits das von der schwarz-gelben Bundesregierung verabschiedete Betreuungsgeld war ein Schlag in die Magengrube aller frühpädagogischen Fachkräfte. Deren wertvolle Bildungsarbeit durch 150€/Monat als ersetzbar einzustufen, entbehrt jeglicher Vernunft. Frühpädagogische Bildungsarbeit ist mehr als ein bißchen Heididei, wie erst kürzlich in der “Zeit” zu lesen war (http://www.zeit.de/2013/06/Erzieher-Kitas-Akademischer-Abschluss-Kommentar).

Seit einigen Jahren gibt es bereits akkreditierte Bachelor-Studiengänge für Frühpädagogik. Deutschland, Schlusslicht in Europa in punkto Erzieherausbildung, hat begonnen, seinen Rückstand aufzuholen. Dass die akademischen Fachkräfte in der Kita nach Abschluss ihres Studiums dann allerdings nach Tarif genauso wie ihre Fachschul-Kollegen eingestuft werden, erstickt jedoch alle Bemühungen im Keim und schafft keinerlei Anreize, ein solches Studium aufzunehmen oder überhaupt als AkademikerIn in einer Kita zu arbeiten. Außerdem fehlen nach wie vor die Aufstiegsmöglichkeiten, bei der Kita-Leitung ist Ende. Dieses deutschlandweite Problem ist nicht neu. Hier wird erneut die Geringschätzung des Elementar- gegenüber anderen Bildungsbereichen deutlich. Allein, dass Krippen und Kitas nicht zum Bildungskanon zählen, sondern den Sozial- und Familienministerien unterstehen, ist schon lange nicht mehr nachvollziehbar.

Der Früh- und Elementarbereich ist der Bildungsbereich, in dem einerseits die größte Heterogenität auf Seiten der Kinder besteht, in dem aber andererseits auch die größten Entwicklungschancen für jedes einzelne Kind bestehen. In diesem Alter existieren enorme Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, welche viele Entwicklungsrisiken und Auffälligkeiten bei rechtzeitiger Diagnose mindern oder kompensieren helfen. Diese diagnostischen sowie Bildungs- und Frühförderaufgaben erfordern hervorragend ausgebildete, reflexive ProblemlöserInnen, denn für diese Aufgaben müssen situations-, institutions- und kindbezogene Lösungen gefunden werden. Mit der Akademisierung ist eine Statusanhebung verbunden, die es erleichtert, mit Berufsgruppen aus z.B. Medizin, Psychologie und Lehramt auf Augenhöhe zu kommunizieren, damit die eigene Fachlichkeit auf Gehör finden kann.

Dieser Schritt ist notwendig und längt überfällig. Mit der Zulassung von fachfremdem Personal, welches den pädagogischen Fachkräften in den Kitas gleichgestellt wird, erreicht man genau das Gegenteil. Wir fallen in der Entwicklung der Kindertageseinrichtungen um Jahrzehnte zurück und das muss ganz dringend verhindert werden. Ich und viele weitere Fachkräfte werden unter diesen Bedingungen, sollten sie denn eintreffen, definitiv NICHT weiter im Elementarbereich arbeiten.

Christine Wengert, Dipl.-Päd.

(Quellen u.a. verdi, Felbi HD, GEW Hessen, Lebenshilfe Gießen, eigene DA)

 

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