Stuttgart 21

Es wird immer teurer als geplant

15.07.11
Tony Hofreiter, MdB und Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Tony Hofreiter, MdB und Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

gruene.de: Laut Zeitungsberichten hat die Bahn die Kosten von Stuttgart 21 kräftig frisiert. Von den Projektbetreibern werden für den Stuttgarter Tunnelbahnhof Kosten von 4,1 Milliarden Euro genannt. Wie teuer wird es denn jetzt nun wirklich?

Tony Hofreiter: Dies ist sehr schwer zu beurteilen, da die wirklichen Zahlen und Fakten von der Bahn geheim gehalten werden. Aber die Zahlen, die intern genannt werden, bewegen sich um die 6 Milliarden Euro. Aus Erfahrungen der Vergangenheit weiß man, dass Großprojekte dieser Art im Schnitt um 40- 45 Prozent teurer werden.

Sind falsche Zahlen und steigende Kosten eine Berechtigung dafür, das Bauvorhaben zu beenden?

Der Kostendeckel ist bei 4,5 Milliarden Euro gezogen worden. Das Land Baden-Württemberg hat laut grün-rotem Koalitionsvertrag explizit ausgeschlossen zusätzliche Kosten zu tragen. Diese müsste also die Deutsche Bahn AG übernehmen. Ob sich daraus das Recht ergibt, aus dem Projekt auszusteigen, muss geprüft werden. Aber die Bahn ist zu 100% in staatlichem Besitz, und die übrigen Beteiligten sind Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der Bund. Dies bedeutet: Wenn der politische Wille vorhanden wäre – auch auf Bundesebene – Geld nicht sinnlos zu verschwenden, dann kann dieses Projekt jederzeit gestoppt werden.

Die Befürworter sagen, es sei zu spät, das Projekt jetzt zu stoppen, weil schon zu viel Geld geflossen ist. Wie viel Geld wäre denn verloren?

Es wären die Planungskosten von etwa 500 Millionen Euro verloren. Aber es gibt überhaupt keinen Grund, dem schlechten Geld nochmal mehrere Milliarden gutes Geld nach zu werfen. Außerdem ist das Geld, das von der Bahn an Stuttgart zurück gegeben werden muss, nicht verloren, sondern wechselt von einer öffentlichen Hand in die andere.

Wer trägt die finanzielle Last von Stuttgart 21?

Die Lasten werden von Stuttgart, dem Land, dem Bund und teilweise der Deutsche Bahn AG übernommen. Das heißt der Steuerzahler bezahlt letztendlich alles.

In welchen Bahnprojekte würdest Du denn Geld investieren, das im Augenblick in S21 fließt?

Geld fehlt vor allem für den Ausbau der Bahn in der Fläche, für die Entlastung überlasteter Strecken, für den Ausbau der Hafenhinterlandanbindungen, für den Güterverkehr, für die Stärkung der S-Bahnsysteme für die Pendler und zum Beispiel für die Strecke Karlsruhe-Basel, einer der wichtigsten und am stärksten genutzen Strecken Deutschlands.

Und wieso ist die Bahn dann so auf S21 fixiert, wenn das Geld an so vielen anderen Stellen fehlt?

Das mittlere Management der Bahn, also die Mitarbeiter, die direkt mit dem Eisenbahnverkehr befasst sind, wollen S21 nicht und hoffen sehr, dass die Grünen den Bau verhindern können, damit das viele Geld für die eben genannten sinnvollen Projekte eingesetzt werden kann. Der Stuttgarter Tiefbahnhof ist ein ausschließlich politisch motiviertes Prestigeprojekt von Schwarz-Gelb und dem Bahnvorstand.

Elbphilharmonie, Transrapid, Stuttgart 21 … Irgendwie hat man das Gefühl, dass öffentlich finanzierte Großprojekte immer viel teurer werden als geplant. Können Politiker nicht rechnen?

Doch, aber wenn bei diesen Prestigeprojekten von Anfang an die wahren Kosten bekannt wären, könnten sie nicht oder zumindest nicht so leicht durchgesetzt werden. Das Spiel läuft doch so: Erst werden die Kosten niedrig gerechnet. Dann wird begonnen, und wenn bereits Fakten geschaffen und viele Millionen verbaut sind, rücken die Verantwortlichen mit den wahren Kosten raus. Dann wird uns erzählt: Jetzt haben wir schon so viel gebaut, dass wir leider, leider nicht mehr aufhören können, aber beim nächsten Mal wird ganz bestimmt realistisch kalkuliert.

Was muss denn passieren, damit Bauprojekte von Beginn an realistisch kalkuliert werden?

Es muss endlich für Transparenz gesorgt werden. Das bedeutet, dass Kostenkalkulationen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen veröffentlicht werden, damit sie auf Plausibilität geprüft werden können.

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